Basis einer gesunden Beziehung: Der „Realitätscheck“

Bild für Blogbeitrag: Menschen auf einem kleinen Boot im Sonnenuntergang

Basis einer gesunden Beziehung: Der „Realitätscheck“

Immer wieder kommen Paare in die Therapie und äußern ihre jeweilige Enttäuschung über die andere Partei – der Heiratsgrund ist zum Scheidungsgrund geworden.

Man lernt jemanden kennen und plötzlich ergeben sich neue Perspektiven, man ist ständig gut gelaunt, fühlt sich stark und ist glücklich. Die Anfangsphase einer Beziehung wird häufig innerhalb einer Paartherapie als magisch oder etwas Besonderes beschrieben. Umso größer ist dann die Ernüchterung, wenn plötzlich eine Krise oder ein Problem entsteht und man verletzt wurde oder man nur noch vom anderen genervt ist. Gerade dieser Abgleich, wie es früher war und wie es jetzt ist, schmerzt. Aber wie kommt es, dass man sich so verschätzt, schließlich wirkte man doch am Anfang, wie ein tolles Paar?

Idealisierung & Verleugnung

Bei der Partnerwahl spielen die psychologischen Mechanismen der „Idealisierung“ und „Verleugnung“ eine wichtige Rolle. Wir idealisieren unsere Partner, halten sie für beeindruckende und starke Persönlichkeiten und schreiben ihnen gerne viele positive Sachen zu. Gleichzeitig verleugnen wir gewisse Aspekte und Schwächen oder problematische Seiten.

All das ist in gewisser Weise normal und notwendig beim Kennenlernen. Manchmal sind diese Mechanismen stärker oder schwächer ausgeprägt. Kritisch wird es allerdings, wenn wir es nicht schaffen, unser Bild vom Partner allmählich einer Realitätsüberprüfung zu unterziehen.

Gerade wenn äußere Umstände oder gewisse problembehaftete Ereignisse in der Paarbeziehung auftreten und kein Realitätscheck stattgefunden hat, führt dies in der Regel zu Konflikten. Zwei typische Konflikte sind:

1. Enttäuschung darüber, dass der Partner nicht einem vorgefertigten Modell oder der eigenen Fantasie entspricht:

Bsp.: Der Partner wird am Anfang als extrem fürsorglich erlebt. Es findet eine Idealisierung statt, in welcher der Partner als jemand wahrgenommen wird, der ständig auf einen eingeht, sich immer kümmert und dem das Wohl des anderen über alles liegt.

Der Partner war schon immer das, was man sich insgeheim gewünscht hat. Doch nach einer Zeit beginnt der Partner sich mehr um sich selbst zu kümmern und wirkt distanzierter. Die Idealisierung hat zu dem Bild geführt, dass der Partner als so fürsorglich erlebt wird, dass es regelrecht bedrohlich wirkt, sobald die Aufmerksamkeit nicht mehr auf die andere Partei gelenkt wird. Auch wenn es normal ist, dass ein Individuum sich auch mal auf sich fokussiert.

2. Eigenschaften und Verhaltensweisen, welche vorher anziehend waren, werden nun abgelehnt:

Bsp.: Man lernt jemanden kennen, der unglaublich frei wirkt, keine Angst hat ständig neue Sachen auszuprobieren und sich regelmäßig neu erfindet, während man selbst in einem monotonen Job festhängt, der Alltag recht langweilig ist und man jeden Monat eigentlich nur auf das Gehalt wartet, um die eigene Unzufriedenheit zu kompensieren.

Die Freiheit der anderen Partei wird als extrem anziehend erlebt, während gleichzeitig eine Verleugnung stattfindet. Es wird verleugnet, dass man selbst insgeheim Ruhe mag und selber nicht ständig neue Sachen ausprobieren oder Abenteuer erleben muss. Irgendwann möchte man dann zusammenziehen, Kinder bekommen und an einem Samstag auch mal einen langweiligen Abend haben sowie nur einen Film schauen, während die andere Partei lieber abends ausgeht.

Plötzlich wird das anscheinend anziehende Verhalten als Desinteresse an einem Selbst verstanden, auch wenn es bereits von vornherein klar war, dass die andere Partei einfach so ist.

Diese zwei Konflikte und jeweiligen Beispiele sind relativ typisch und deuten auf eine mangelnde Realitätsüberprüfung hin. Realistische Erwartungen an unseren Partner sind ein wesentlicher Teil der Beziehung. Im Rahmen einer Paartherapie wir daher auch die jeweils eigene Erwartungshaltung und wie diese mit dem Konflikt zusammenhängt, beleuchtet.

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